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Beste Medizin: Erich Kästner war dafür, „Lachkunde“ als Unterrichtsfach einzuführen – die Menschen, so meinte er, sollten dazu erzogen werden, heiter zu sein, anstatt missmutig mit „Dackelfalten auf der Stirn“ herumzulaufen. Und tatsächlich: Humor hält gesund, denn Lachen sei ja, so besagt bekanntlich der Volksmund, immer noch „die beste Medizin“. Von Wolfgang Engelmaier

 

Die gute Nachricht vorweg: Wir Menschen sind von Natur aus auf Heiterkeit programmiert. Babys, die erst ein paar Wochen alt sind, lächeln, wenn sie das Gesicht ihrer Mutter sehen; schon ab dem dritten Lebensmonat, so haben Lachforscher („Gelotologen“ – die gibt es tatsächlich!) herausgefunden, „weiß“ ein Kind, dass es mit einem fröhlichen Gesicht und ebensolchem Gurren das Verhalten der Mutter beeinflussen kann. Lächelt diese zurück, ist alles in Ordnung: Durch das Lachen entsteht so etwas wie ein unsichtbares Band zwischen Eltern und Kind.

Eine Studie ergab, dass Kinder, die in einer harmonischen Umgebung aufwachsen, etwa 400-mal am Tag lachen. Das gilt übrigens weltweit – am Amazonas ebenso wie im Hochland von Tibet, denn Frohsinn und Lachen gehören zum gemeinsamen Erbe der Menschheit. Vor allem in den Industrieländern ist allerdings der eher traurige Trend festzustellen, dass die Lachhäufigkeit bei Erwachsenen stark im Abnehmen begriffen ist: 40-Jährige lachen in unseren Breiten im Durchschnitt nur noch 6 Minuten pro Tag (in den 1950er-Jahren waren es noch 18).

Lachen als Therapie: Lachen sei die beste Medizin, heißt es, und dieser Spruch hat manches für sich. Beim Lachen steigt die Herzfrequenz, der ganze Körper wird besser durchblutet und mit Sauerstoff versorgt; Sekrete, Ablagerungen und Mikroorganismen werden durch das Lachen mit bis zu 100 km/h aus der Lunge geschleudert; das körpereigene Abwehrsystem wird gestärkt und bestimmte Hormone werden ausgeschüttet, die das Wohlbefinden erhöhen und uns für Schmerzen unempfindlicher machen. Nicht zuletzt steigt in heiteren Zeiten auch die Aktivität des Gehirns – in den meisten Lebenslagen auch nicht gerade ein Nachteil.

Lachen kann also auf keinen Fall schaden, sondern im Gegenteil Heilung sogar begünstigen. Welch ein Segen, wenn man im Krankenhaus Menschen um sich hat, die nicht Trübsal blasen – Angehörige, die sich ihre Sorgen nicht allzu sehr anmerken lassen, Krankenschwestern, die Frohsinn verbreiten, einen einfühlsamen Arzt oder auch die „Profis“ der „Roten Nasen“ und „CliniClowns“, die mit ihren Scherzen ihre kleinen Patienten in ein Reich der Phantasie entführen, wo es keine Krankheit und keine Trauer gibt.

Aber nicht nur auf Kinderstationen wird gerne gelacht: Studien belegen, dass Menschen aller Altersstufen über ein wenig Ablenkung im Spital froh sind. Bei einer Patientenbefragung gaben 95 Prozent der TeilnehmerInnen an, dass Humor in ihrem Leben sehr wichtig sei; und auf die Frage „Mit wem lachen Sie gerne im Krankenhaus?“ wurden von je 85 Prozent das Pflegepersonal und die MitpatientInnen genannt. Fazit der Studie: Humor sollte in der Pflege laufend präsent sein.

Heitere Gelassenheit: Auch im Angesicht des Alterns sind Frohsinn und Humor eine große Tugend. „Wenn ich auf die älteren Menschen hinschaue, zählen vor allem die kleinen Freuden des Alltags!“ – dieser Satz ist von den MitarbeiterInnen unserer Kolpinghäuser „Gemeinsam leben“ immer wieder zu hören. Und freudige Anlässe gibt es auch für unsere hoch betagten BewohnerInnen mehr, als man glaubt: das Enkelkind, das zu Besuch kommt und der Oma einen Kuss gibt; Angebote wie den Hausheurigen, wo Gemeinschaft in heiterer Umgebung erfahren werden kann; oder wenn unsere SeniorInnen sehen, dass ihre Hilfe noch gefragt ist, etwa beim Empfang von Neuankömmlingen, die von „Alteingesessenen“ mit dem Alltag im Pflegeheim vertraut gemacht werden.

Um den Tag, mag er auf den ersten Blick auch noch so beschwerlich erscheinen, mit heiterer Gelassenheit anzugehen, hat eine, seit vielen Jahren in der Sterbebegleitung tätige Ordensfrau folgendes Rezept für eine „kleine Morgengymnastik“ entwickelt: Mit dem richtigen Fuß aufstehen, das „Fenster der Seele“ öffnen, das Gesicht der Sonne zuwenden, ein paar Mal über den eigenen Schatten springen und sich dabei gesund lachen!

Heilige mit Humor: Vom „Fenster der Seele“ ist es nicht weit zur Religion. Wie halten es Gläubige mit der Heiterkeit? Dass Mohammed lachte, wird im Koran an gleich 50 Stellen berichtet. Abraham lachte selten, von Moses und Jesus ist gar nichts Derartiges überliefert. Dafür wird Jesu Lehre in der Bibel als „Frohbotschaft“ bezeichnet, und Paulus schrieb an die Korinther: „Wir wollen ja nicht Herrn über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu eurer Freude.“

Im Laufe der Kirchengeschichte hatten allerdings oft die „Jammertal-Theologen“ die Oberhand, wie es der Theologe und Psychoanalytiker Alfred Kirchmayr recht treffend auszudrücken wusste. Zum Glück habe sich das Kirchenvolk die Heiterkeit und die Lebensfreude nicht austreiben lassen, so Kirchmayr, und sich eher an Heilige wie Franz von Assisi gehalten, der sich als „Spielmann Gottes“ verstand, dazu gesandt, den Menschen „die Heiterkeit des Herzens“ zu bringen.

Weise Narren: In der islamischen Welt gilt vor allem der Schelm Mullah Nasruddin als besonders schillernde Figur; die Geschichten, die von ihm erzählt werden, haben einen doppelten Boden: vordergründig bloß ein „Witz“, sind sie, in ihrer Tiefe betracht, geeignet, den Zuhörern die Einsicht zu vermitteln, dass letztendlich alles eine Frage des Standpunktes ist. So antwortete Nasruddin z. B. einem Wanderer, der ihm vom gegenüberliegenden Ufer eines Flusses die Frage „Wie komme ich auf die andere Seite?“ zurief mit der trockenen Feststellung: „Was willst Du, Du bist doch schon auf der anderen Seite!“

Solch weise Narren erfreuen sich auch in China großer Beliebtheit. Wie etwa Pu tai, ein lachender Mönch, der zum Patron der Kinder und sogar zum Volksgott erhoben wurde. Der erfrischend natürliche Heilige zog im 10. Jh. als Wandermönch durch die Lande, auf seinen Schultern einen Hanfsack, prall gefüllt mit guten Sachen für Groß und Klein. Freigebig verteilte Pu tai seine Schätze wie ein chinesischer Nikolaus. Als Fleisch gewordener Unschuldsengel mit Schmerbauch verkörpert Pu tai Zufriedenheit, Bescheidenheit und frohe Laune, aber ebenso Selbstlosigkeit, Güte und Nächstenliebe.

Hinweise wie diese führen uns zur Wurzel des Humors: Jenseits von vordergründigem Spaß und flachen Witzen, womöglich auf Kosten anderer, ist der Humor ein Kind der Lebensfreude, des Wohlwollens und der Sympathie. Er ist, um nochmals Alfred Kirchmayr zu zitieren, eine Frucht menschlicher Reife: Ausdruck des Versöhnt-Seins mit sich selbst und dem Leben – trotz aller Widrigkeiten und Widersprüche. Humorvolle Menschen geben Zeugnis davon, dass sie mit sich und der Welt im Einklang sind. Der innere Freiraum, den sie gefunden haben, schafft Platz für andere, sich zu entfalten.